Nachfolgende Informationen werden ohne Anspruch auf Vollständigkeit und ohne jede Gewähr publiziert. Allgemeiner Stand: Herbst 2006, sofern nicht anders angemerkt oder eindeutig ersichtlich.
Wichtiger Hinweis: Die nachstehenden Beitrag angeführten Informationen zu kassenspezifischen Gesundheitsleistungen sind zum Teil hinfällig, da seit 2012 weitgehend der einheitliche "Nationale Organismus für die Erbringung von Gesundheitsleistungen" (EOPYY) zuständig ist.
Das griechische Sozialversicherungssystem ähnelt in seinen Grundzügen dem deutschen Pflichtversicherungssystem, weist jedoch auch zum Teil erhebliche Unterschiede auf. Besucher und Urlauber, die - wenn überhaupt - nur mit dem Zweig des Gesundheitswesens in Berührung kommen, mag dieses Thema nicht weiter berühren. Personengruppen wie Erwerbstätige und Übersiedler werden sich allerdings mit maßgeblichen Besonderheiten konfrontiert sehen und darauf einstellen müssen. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass Sozialhilfe nach deutschem Vorbild in Griechenland praktisch unbekannt ist.
Abgesehen von den hier nicht weiter berücksichtigten zahlreichen berufsspezifischen Kassen (wie für im öffentlichen Dienst Beschäftigte, Bankangestellte, Justizbeamte, Seeleute usw.) existieren in Griechenland die drei Hauptträger I.K.A.-E.T.A.M., O.G.A. und O.A.E.E., wobei letzterer als Dachträger aus der Zwangsfusion u. a. der vormals eigenständigen gesetzlichen Pflichtkassen T.A.E., T.E.W.E. und T.S.A. hervorging.
Angesichts der aktuellen Verhältnisse ist die finanzielle Lage aller griechischen Kassen von desolat bis katastrophal einzustufen. Indizierend sei angeführt, dass in Griechenland das summarische statistische Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentnern bei ca. 1,7 : 1 liegt (Stand: September 2006) und sich das Defizit der I.K.A. allein nur für die medikamentöse Versorgung der Versicherten bis Ende 2006 auf rund eine Milliarde Euro belaufen wird.
Hinweis: Informationen zu den jeweiligen gesundheitsbezogenen Leistungen der vorgenannten Versicherungsträger bietet der Beitrag Gesundheitswesen in Griechenland.
Arbeitnehmer sind allgemein bei der I.K.A. - E.T.A.M. (Idrima Kinonikón Asfalíseon - Eniéo Tamío Asfálisis Misthotón = Anstalt für Soziale Versicherungen - Einheitskasse für Arbeitnehmer) zu versichern. Pflicht und Verantwortung für die Abführung der üblicherweise an das Einkommen gekoppelten Beiträge obliegen in der Regel dem Arbeitgeber. Unter bestimmten Voraussetzungen ist auch die freiwillige Versicherung (Selbstversicherung) bei der I.K.A. möglich.
Global entspricht die I.K.A. in etwa der deutschen A.O.K. und wird als - gemessen an der Zahl der Leistungsempfänger - größter griechischer Versicherungsträger langfristig weiterbestehen. Angesichts der desolaten finanziellen Lage des Trägers stehen jedoch weitere rigorose Leistungskürzungen und Beitragserhöhungen bevor.
Die primären Leistungszweige der I.K.A. umfassen Rentenversicherung und Krankenversicherung / Gesundheitsversorgung. Unter bestimmten Voraussetzungen fundiert ein reguläres Versicherungsverhältnis auch einen elementaren Schutz bei Arbeitslosigkeit. Sofern überhaupt ein Anspruch besteht, beläuft sich die Arbeitslosenhilfe aktuell auf pauschal rund 400 Euro / Monat und wird im Regelfall für höchstens 6 Monate pro Kalenderjahr gewährt.
Gesundheitsbezogene Leistungen werden sowohl über kasseneigene Einrichtungen als auch das staatliche Gesundheitswesen erbracht. Es sei angemerkt, dass für die Erteilung der Krankenversicherungskarte bisher wenigstens 50 Versicherungstage im laufenden Kalenderjahr erforderlich waren. Gemäß dem am 31. März 2008 verabschiedeten Gesetz zur Sanierung des griechischen Sozial- und Rentenversicherungssystems werden jedoch fortan für den Bestand des Versicherungsschutzes wenigstens 100 Versicherungstage pro Kalenderjahr beziehungsweise nebst pharmazeutischer Versorgung sogar 120 Versicherungstage pro Kalenderjahr erforderlich sein. Unter entsprechenden Voraussetzungen bleibt der Versicherungsschutz unabhängig von der Anzahl der Versicherungstage auch im darauffolgenden Kalenderjahr bestehen.
Der Anspruch über die I.K.A. versicherter Arbeitsnehmer auf Weihnachts-, Oster- und Urlaubsgeld ist gesetzlich verankert. Zu den weiteren, gegebenenfalls von der jeweiligen Versicherungszeit abhängigen Leistungen und Zuwendungen zählen unter anderem indirekte Versicherung Familienangehöriger, Kindergeld, zinslose (Bau-) Darlehen, sozialer / subventionierter Wohnungsbau sowie auch diverse Vergünstigungen, Bar- und Sachleistungen.
Für eine einkommens- bzw. beitragsbezogene reguläre Altersrente sind 10.500 Versicherungstage erforderlich; es bestehen jedoch zahlreiche Ausnahme- und Sonderregelungen. Die Mindestrente beläuft sich aktuell auf rund 400 Euro / Monat. In Deutschland erworbene Rentenansprüche können im Rahmen einschlägiger Abkommen transferiert werden. Das Verhältnis der Beitragszahler zu Rentnern der I.K.A. liegt aktuell bei 2,5 : 1 (Stand: 2005), sinkt jedoch kontinuierlich.
Selbständige Gewerbetreibende müssen sich allgemein über den Träger O.A.E.E. (Organismós Asfálisis Eléftheron Epangelmatión = Versicherungsträger der Selbständigen) versichern. Diesem erst vor einigen Jahren gegründeten Dachträger (s. Artikel 1-13 des Gesetzes N.2676/99) unterliegen unter anderem die vormals eigenständigen Kassen T.E.W.E. (griechisch: T.E.B.E / Tamío Embóron ke Wiomichánon Elládos = Kasse der Gewerbetreibenden und Handwerker / Industriellen in Griechenland), T.A.E. (Tamío Asfálisis Embóron = Kasse der Kaufleute) und T.S.A. (Tamío Syntáxeon Aftokinitistón = Rentenkasse der Berufskraftfahrer), mit - grob überschlagen - insgesamt rund 800.000 Versicherten.
Wer heutzutage eine selbständige Tätigkeit in Griechenland ausübt, ist im Regelfall zur Versicherung bei dem O.A.E.E. verpflichtet. Der monatliche reguläre Mindestbeitrag liegt aktuell bei ca. 300 Euro (Renten- und Krankenversicherung). Mit zunehmendem Versicherungsverlauf erfolgt schrittweise der obligatorische Aufstieg in die nächste Beitragsklasse, bis die oberste obligatorische Beitragsklasse erreicht ist,
Für erstmalig Versicherte (also in der Regel Existenzgründer) gilt ein anfänglich um rund 50% ermäßigter Pflichtbeitrag, der im Lauf von fünf Jahren stufenweise auf den Regelsatz steigt. Darüber hinaus kann jeder Versicherte freiwillig eine höhere Beitragsklasse wählen. Unter bestimmten Voraussetzungen ist auch die freiwillige Versicherung möglich.
Abgesehen von einer elementaren Gesundheitsversorgung und der indirekten Versicherung abhängiger Familienmitglieder bietet der Träger so gut wie keine weiteren Leistungen und unterhält auch keinerlei eigene Strukturen. Der Versicherungsschutz ist an die fristgerechte Beitragszahlung gekoppelt und erlischt, wenn der Versicherte mit den Zahlungen in Verzug gerät oder das Versicherungsverhältnis beendet wird.
Die medizinische Versorgung der Versicherten wird - mehr schlecht als recht - über Vertragsärzte und staatliche Einrichtungen gewährleistet. Eine zahnärztliche Versorgung wird grundsätzlich nicht geboten, während die Verfügbarkeit diverser Fachärzte von Präfektur zu Präfektur differiert, da niedergelassene Ärzte angesichts der geringen Vergütungen zunehmend die Kooperation mit dem O.A.E.E. verweigern. Die Gesundheitsversorgung der Rentner ging mit der Umstrukturierung auf die I.K.A. über.
Für eine reguläre, minimal rund 400 Euro / Monat betragende und im übrigen an die Summe der insgesamt geleisteten Zahlungen gekoppelte Altersrente waren bis Ende 2010 minimal 15 (Rente ab dem 66. Lebensjahr) bzw. 35 (Rente ab dem 61. Lebensjahr) Beitragsjahre bei dem Träger erforderlich. Auf Basis der 2010 verabschiedeten Versicherungsform steigt die erforderliche Versicherungszeit für eine reguläre Altersrente ab dem 61 Lebensjahr ab 2011 bis 2015 um jeweils ein Jahr bis auf 40 volle Versicherungsjahre an. Diese globale Darstellung kann allerdings bestenfalls dem Überblick dienen, da fallweise sehr komplexe Regelungen und Voraussetzungen zu berücksichtigen sind (Stand: Sommer 2011).
Abhängig von der jeweils erforderlichen Mindestversicherungsdauer kommen u. a. bei Berufsunfähigkeit und Versorgung von Hinterbliebenen diverse Sonderregelungen zum Tragen. In Deutschland erworbene gesetzliche Rentenansprüche bzw. Versicherungszeiten werden nach wie vor grundsätzlich nicht auf die Versicherungszeit in Griechenland bei T.E.W.E. / O.A.E.E. angerechnet.
Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass der von Misswirtschaft und Ineffizienz geprägte O.A.E.E. trotz des augenscheinlich günstigen Verhältnisses der Beitragszahler zu Rentnern von aktuell knapp 1:4 (TAE 1:>6, TEWE 1:>4, TSA 1:<1 / Stand: 2005) nicht überlebensfähig ist. Die ursprünglich beschlossene Fusion mit der I.K.A. zum 01. Januar 2007 hat allerdings bisher (Stand: Sommer 2011) nicht stattgefunden und wäre zumindest damals auf jeden Fall zu Ungunsten der Zweige T.A.E. und T.E.W.E. ausgefallen.
Hinweis: Bis Ende 2006 konnten sich in Gemeinden mit weniger als 2.000 Einwohnern ansässige Gewerbetreibende völlig von der gesetzlichen Versicherungspflicht befreien bzw. bei der OGA (= Versicherungsträger für Landwirte) versichern lassen. Für Selbständige, die sich gemäß dieser Ausnahmeregelung bei der OGA versicherten, blieb dieser Status bestehen. Wer jedoch ab dem 01. Januar 2007 eine selbständige Erwerbstätigkeit aufnimmt, unterliegt grundsätzlich der globalen Versicherungspflicht, wobei eine alternative Versicherung bei der OGA nur noch unter bestimmten Voraussetzungen (geographischer Standort, Einkommen usw.) möglich ist, die turnusmäßig überprüft werden bzw. nachgewiesen werden müssen.
Landwirte und Landarbeiter sowie unter bestimmten Umständen auch in kleineren Orten ansässige Selbständige können bzw. müssen sich bei der O.G.A. (Organismós Georgikón Asfalíseon = Organisation für Landwirtschaftliche Versicherungen) versichern. Die O.G.A. wurde bereits 1961 gegründet, um der in jeder Hinsicht unterprivilegierten Landbevölkerung zumindest elementare soziale Leistungen zu gewähren. Faktisch war und ist die O.G.A. allerdings kein Versicherungsträger im eigentlichen Sinn, sondern eher eine soziale Einrichtung des Staates und ein über indirekte Steuern und Abgaben finanziertes Auffangbecken für Unversicherte. Erst 1998 wurde mit dem Gesetz 1745/87 die O.G.A. um den beitragspflichtigen Zweig der sogenannten "Zusatzversicherung" erweitert. Dieser Zweig entspricht in seinem Status einem primären Versicherungsträger, muss jedoch aufgrund der geringen Pflichtbeiträge ebenfalls durch indirekte Abgaben und staatliche Zuschüsse subventioniert werden.
Der halbjährlich zu entrichtende Mindestbeitrag beträgt zur Zeit knapp 35 Euro pro Monat (Rentenkasse und Gesundheitsversorgung / Krankenkasse). Darüber hinaus kann freiwillig eine höhere Beitragsklasse bis max. ca. 90 Euro pro Monat gewählt werden. Die direkt aus dem Versicherungsverhältnis bedingten Leistungen umfassen u. a. die indirekte Versicherung von Familienmitgliedern, Weihnachts-, Oster- und Urlaubsgeld für Rentner sowie einige bescheidene Zusatzleistungen.
Gesundheitsleistungen werden über das staatliche Gesundheitssystem erbracht. Der Versicherungsschutz erlischt, wenn mit Beginn eines Kalenderjahres nicht die Beiträge bis zum Ende des Vorjahres beglichen sind. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass zigtausend griechische Bauern und Landarbeiter nicht einmal die minimalen Pflichtbeiträge aufbringen können und andererseits die aktuell rund 50.000 versicherten Ausländer (überwiegend Albaner) wesentlich zu dem Beitragsaufkommen der O.G.A. beitragen.
Eine monatliche Altersrente ab dem 65. Lebensjahr in Höhe von aktuell etwas über 200 Euro wird gegenwärtig bei minimal 8 Beitragsjahren in der niedrigsten, sprich obligatorischen Versicherungsklasse gewährt. In Deutschland erworbene Rentenansprüche können nicht auf die Versicherungszeit bei der O.G.A. angerechnet werden. Das spektakuläre Verhältnis der Beitragszahler zu Rentnern liegt aktuell bei ca. 0,9 (Stand: 2005) - allerdings unter Einbezug auch der zahlreichen Empfänger von Wohlfahrtsleistungen.
An der Anzahl der Leistungsberechtigten gemessen stellt die O.G.A. den zweitgrößten griechischen Versicherungsträger sowie nach wie vor auch ein wesentliches Instrument der griechischen Sozialpolitik dar und wird unabhängig von zukünftigen Umstrukturierungen langfristig fortbestehen. Die Versicherungsbeiträge werden allerdings ab 2012 drastisch steigen, da inzwischen mit dem Mitte 2011 verabschiedeten "Gesetz zur Umsetzung des Volkswirtschaftlichen Rahmenplans 2011 - 2015" beschlossen wurde, dass die Versicherungsnehmer analog zu ihrem Versicherungslauf Stufe um Stufe in die jeweils nächsthöhere Versicherungsklasse wechseln müssen! Außerdem werden mittels der Einführung obligatorischer Lohncoupons nun definitiv auch landwirtschaftliche Saisonarbeiter beitragspflichtig, die zwar praktisch keinen realen Rentenanspruch erwerben können werden, jedoch auf jeden Fall zur Minderung des Defizits beitragen müssen (siehe auch Griechenland führt Lohncoupons und elektronische Arbeitskarte ein).
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